Demografie-Trilemma im Bundesrat: Folgen im Gesundheitswesen
Wie verändert eine alternde Gesellschaft unser Zusammenleben? Diese Frage diskutierten Expertinnen und Experten auf Einladung des Bundesrates. Florian Bachner, Leiter der Abteilung Gesundheitsökonomie und -systemanalyse von der "Gesundheit Österreich GmbH", betonte dabei, dass die Alterung der Gesellschaft drei problematische Effekte mit sich bringt – das Trilemma der Demografie.
Österreich altert: Ein Blick auf den demografischen Wandel
Der Wandel der Bevölkerungsstruktur stellt Österreich vor tiefgreifende Herausforderungen: Während die Lebenserwartung seit Jahrzehnten steigt, bleibt die Geburtenrate ein Drittel unter dem Bestandserhaltungsniveau. Damit wird die Altersstruktur zunehmend von älteren Menschen geprägt, die in den kommenden Jahren eine größere Rolle im Gesundheitswesen spielen werden. Der sogenannte Altenquotient – das Verhältnis der über 65-Jährigen zur erwerbsfähigen Bevölkerung – verschiebt sich zusehends. Zudem geht eine hohe Anzahl der geburtenstarken Babyboomer-Generation nun in Pension, was das System zusätzlich belastet.
Das „Trilemma der Demografie“ im Gesundheitswesen
Florian Bachner, Leiter der Abteilung für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemanalyse bei der Gesundheit Österreich, skizzierte in seinem Vortrag das „Trilemma der Demografie“: Die demografische Entwicklung belastet das Gesundheitswesen auf dreifache Weise. Erstens führt das höhere Durchschnittsalter zu einer stark steigenden Nachfrage nach Gesundheitsleistungen, da ältere Menschen häufiger medizinische Versorgung benötigen. Zweitens schrumpft die Zahl der Erwerbstätigen, wodurch ein Fachkräftemangel im Gesundheitssektor entsteht. Drittens sinkt die Finanzierungsbasis für das umlagefinanzierte System, was die künftige Finanzierung der Sozialversicherung gefährdet.
Steigende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen
Der Bedarf an Gesundheitsleistungen steigt mit dem Alter: Rund 50 % aller Spitalsaufenthalte und Gesundheitsausgaben entfallen auf die Gruppe der über 65-Jährigen, die nur etwa ein Viertel der Bevölkerung ausmacht. Auch das Verhältnis der jährlichen Gesundheitskontakte ist bezeichnend: Während Menschen unter 60 im Schnitt zwölfmal jährlich das Gesundheitssystem in Anspruch nehmen, sind es bei über 60-Jährigen durchschnittlich 27 Kontakte. Diese Zahlen verdeutlichen den stark wachsenden Bedarf, dem das Gesundheitssystem gerecht werden muss.
Pflegekräfte und Ärzte dringend gesucht: Der Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen
Der Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich ist spürbar: Österreich benötigt bis 2050 etwa 70.000 zusätzliche Pflegekräfte und jährlich 5.000 bis 6.600 Neueinstellungen, um den Bedarf zu decken. Vor allem bei Kassenärzt:innen gibt es Engpässe, da eine beträchtliche Zahl kurz vor der Pensionierung steht. Diese Situation wird durch ungleiche Verteilung entlang mehrere Dimensionen verschärft. Vor allem ländliche Gegenden und Mangelfächer wie Frauen- oder Kinderheilkunde sind besonders betroffen. Ohne kurzfristige „Brückenlösungen“, die Engpässe abfedern, drohen hier Versorgungslücken, bekräftigt Florian Bachner.
Demografischer Druck auf die Finanzierung des Gesundheitswesens
Mit der Alterung der Bevölkerung steigt auch die finanzielle Belastung des Gesundheitssystems. Während 1960 noch 5 Erwerbstätige auf einen Pensionisten kamen, sind es heute nur noch drei und bis 2050 wird sich dieses Verhältnis weiter verschärfen. Schon jetzt ist das System auf staatliche Zuschüsse angewiesen, und die realen Nettoeinkommen sinken, was die Finanzierungsbasis weiter schmälert. Prognosen des „Ageing Reports“ zufolge wird der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP bis 2070 um 1,3 % steigen.
Lösungsansätze: Prävention, Strukturreformen und Technologie
Florian Bachner legte verschiedene Ansätze dar, um das Gesundheits- und Pflegesystem an die demografische Realität anzupassen:
Bildung und Prävention: Der Fokus auf Bildung und Prävention ist von entscheidender Bedeutung, um langfristig den Gesundheitszustand der älteren Bevölkerung zu verbessern. Eine Erhöhung der gesunden Lebensjahre z.B. durch Gesundheitsförderung und Prävention kann langfristig die Belastung des Gesundheitssystems reduzieren.
Attraktivität der Gesundheitsberufe steigern: Der Pflegeberuf muss aufgewertet werden, um Nachwuchskräfte zu gewinnen. Höhere Ausbildungsplätze, Rekrutierung im Ausland und Anreize für Wiedereinsteiger sind notwendige Maßnahmen. Ebenso wichtig ist die Attraktivierung des Kassensegments innerhalb der Ärzteschaft und dort vor allem die Allgemeinmedizin und weitere betroffene Mangelfächer.
Effizienzsteigerungen und Strukturreformen: Eine Reduzierung von Schnittstellen, eine optimierte Aufgabenverteilung und eine Stärkung der Primärversorgung sollen Abläufe effizienter gestalten und den Fachkräftemangel abfedern.
Technologische Innovationen: Künstliche Intelligenz, Robotik und z.B. Ambient Assisted Living-Technologien könnten die Versorgungsqualität verbessern und Pflegekräfte entlasten. Die Digitalisierung könnte als „virtuelles Tor“ ins Gesundheitswesen dienen und damit den Einstieg ins System für viele Menschen erleichtern.
Ausblick: Ein generationenübergreifender Kraftakt für die Zukunft
Abschließend betonte Florian Bachner die Notwendigkeit eines breiten gesellschaftlichen Konsenses, um den demografischen Herausforderungen wirkungsvoll zu begegnen. Ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen, das den steigenden Bedarf bewältigen kann, erfordert einen generationenübergreifenden Kraftakt und innovative Lösungsansätze. Nur durch eine Kombination aus gezielten Präventionsmaßnahmen, Reformen und technologischem Fortschritt kann es gelingen, den demografischen Wandel im Sinne eines gesunden Alterns für alle zu gestalten.
Abteilung Gesundheitsökonomie und -systemanalyse