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WHO: Eine Milliarde Menschen mit psychischen Erkrankungen

Mehr als eine Milliarde Menschen weltweit leben mit einer psychischen Erkrankung. Diese Zahl veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihren neuen Berichten World mental health today und Mental Health Atlas 2024. 

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Im WHO-Saal beraten Staaten über Strategien zur psychischen Gesundheit.
© WHO / Pierre Albouy

Psychische Störungen wie Angst und Depression zählen zu den häufigsten Krankheiten weltweit und verursachen nicht nur immenses menschliches Leid, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Kosten. Die WHO warnt: Ohne einen massiven Ausbau der Versorgung und gezielte Investitionen drohen viele Länder, die internationalen Ziele im Bereich seelische Gesundheit deutlich zu verfehlen.

Psychische Erkrankungen nehmen zu – besonders unter Jugendlichen

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Mag. Alexander Grabenhofer-Eggerth, Abteilungsleiter für Psychosoziale Gesundheit, spricht in einem Interview, im Hintergrund Bücherregal und ein Banner mit dem Logo der Gesundheit Österreich GmbH.
© Screenshot: ORF/ZIB Flash 02.09.2025

Psychische Störungen sind in allen Gesellschaften präsent – unabhängig von Einkommen, Alter oder Region. Am stärksten betroffen sind laut WHO Frauen sowie junge Menschen. Depressionen und Angststörungen stellen dabei die weltweit häufigsten Diagnosen dar.

Ein zentrales Problem ist die steigende Belastung unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Im Interview mit dem ORF (ZIB 1, 02.09.2025) erklärte Mag. Alexander Grabenhofer-Eggerth, Abteilungsleiter für Psychosoziale Gesundheit an der Gesundheit Österreich GmbH: „Wir sehen ein ganzes Bündel von Ursachen – von Einsamkeit über Leistungsdruck bis hin zur intensiven Nutzung sozialer Medien. Gleichzeitig hat die Bereitschaft, Hilfe zu suchen und offen über psychische Belastungen zu sprechen, in den letzten Jahren deutlich zugenommen.“

Damit bestätigt sich ein Trend, der bereits in den letzten WHO-Analysen sichtbar war: Mehr Menschen berichten von psychischen Problemen, gleichzeitig steigt aber auch die gesellschaftliche Akzeptanz, diese anzusprechen.

Weltweite Datenlage: Belastung, Kosten und Versorgungslücken

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Jugendliche im Gruppengespräch mit Beraterin, Stuhlkreis in hellem Raum – Beratung oder psychologische Unterstützung.
© Seventyfour - stock.adobe.com

Die neuen WHO-Berichte verdeutlichen die Dimensionen:

  • 1 Milliarde Menschen leben mit einer psychischen Erkrankung.
  • 727.000 Suizide wurden allein im Jahr 2021 weltweit registriert – Suizid bleibt eine der häufigsten Todesursachen bei jungen Menschen.
  • Psychische Erkrankungen sind weltweit die zweitgrößte Ursache für langfristige gesundheitliche Einschränkungen (Years Lived with Disability, YLDs) und führen zu enormen Produktivitätsverlusten.
  • Die ökonomischen Kosten sind immens: Allein Angststörungen und Depressionen belasten die Weltwirtschaft jährlich mit rund 1 Billion US-Dollar.

Trotz dieser Zahlen bleibt die Finanzierung lückenhaft: Im weltweiten Durchschnitt fließen nur 2 % der Gesundheitsbudgets in die psychische Versorgung. Während in Hochlohnländern bis zu 65 US-Dollar pro Kopf investiert werden, beträgt der Wert in Niedriglohnländern gerade einmal 0,04 US-Dollar.

Fortschritte und Stillstand: Ergebnisse des Mental Health Atlas 2024

Einige positive Entwicklungen zeigt der Mental Health Atlas 2024:

  • Mehr Präventionsprogramme: In über 80 % der Länder sind schulische Mental-Health-Angebote und Suizidprävention mittlerweile etabliert.
  • Integration in die Primärversorgung: 71 % der Länder erfüllen mindestens drei WHO-Kriterien für eine bessere Einbindung psychischer Gesundheit in die Grundversorgung.
  • Telemedizin: Digitale Angebote für psychische Betreuung gewinnen weltweit an Bedeutung.

Gleichzeitig bestehen massive Defizite:

  • Nur 45 % der Länder verfügen über Gesetze, die mit internationalen Menschenrechtsstandards vereinbar sind.
  • In vielen Regionen herrscht extremer Fachkräftemangel: Global liegt die Medianzahl an Fachpersonen bei 13 pro 100.000 Einwohner, in ärmeren Ländern deutlich darunter.
  • Weniger als 10 % aller Staaten haben ihre Versorgung auf gemeindenahe, personenzentrierte Modelle umgestellt. Stationäre Versorgung dominiert weiterhin, oft mit langen Aufenthalten und Zwangseinweisungen.

 

Österreich: Verbesserungen, aber weiterhin Handlungsbedarf

Auch in Österreich wird die Problematik sichtbar. Laut ORF-Bericht (ZIB 1, 02.09.2025) werden psychische Erkrankungen hierzulande oft zu spät erkannt. Gründe sind unter anderem Fachkräftemangel und unzureichende Finanzierung.

Grabenhofer-Eggerth betonte, dass Investitionen entlang des gesamten Spektrums notwendig seien: von Entstigmatisierung und Prävention bis hin zum Ausbau spezialisierter Behandlungseinrichtungen.

Globale Handlungsempfehlungen der WHO

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WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus spricht bei einer Sitzung der Weltgesundheitsorganisation.
© WHO / Lindsay Mackenzie

Die WHO ruft Regierungen und Partnerorganisationen dazu auf, ihre Anstrengungen deutlich zu intensivieren. Zu den Kernforderungen zählen:

  • Mehr und gerechtere Finanzierung für psychische Gesundheitsdienste.
  • Gesetzesreformen zur Wahrung von Menschenrechten Betroffener.
  • Aufbau einer starken Fachkräftebasis weltweit.
  • Umstellung auf gemeindenahe, personenzentrierte Versorgungssysteme.

WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus brachte es auf den Punkt: „Investieren in psychische Gesundheit heißt investieren in Menschen, Gemeinschaften und Volkswirtschaften – und kein Land kann es sich leisten, das zu vernachlässigen.

Fazit

Die aktuellen WHO-Daten machen deutlich: Psychische Erkrankungen sind längst kein Randthema, sondern ein zentrales globales Gesundheits- und Wirtschaftsthema. Während in vielen Ländern erste Fortschritte sichtbar sind, reichen die Maßnahmen bei Weitem nicht aus, um die ambitionierten UN-Ziele bis 2030 zu erreichen.

Sowohl international als auch in Österreich gilt daher: Psychische Gesundheit muss zur politischen und gesellschaftlichen Priorität werden.

 

Weitere Informationen und Quellen:

WHO: Über eine Milliarde Menschen leben mit psychischen Erkrankungen

 

Leseempfehlung: Psychische Gesundheit: Jugendliche fordern Hilfe zum Schulstart 2025

Das WHO-Logo steht für die globale Verantwortung in der psychischen Gesundheit.