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GÖG-Colloquium | Wer kann und soll Selbsthilfe- und Patienteninteressen vertreten? Erfahrungen der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA

Colloquium
Beginn der Veranstaltung:26.11.2025, 17:30 Uhr
Ende der Veranstaltung:26.11.2025, 19:00 Uhr
Veranstaltungsort:online via Zoom

 „Wer kann und soll Selbsthilfe- und Patienteninteressen vertreten?“– Erfahrungen der Europäischen Arzneimittelagentur mit der Einbindung von Patientinnen und Patienten

Wie können Patienten- und Selbsthilfeorganisationen sinnvoll in die Aktivitäten der EMA einbezogen werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Veranstaltung, die sich an Fachleute aus dem Gesundheits- und Sozialwesen, an Vertretungen von Selbsthilfegruppen und -organisationen sowie an alle Interessierten richtete. 

Maria Mavris ist Patient Liaison bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und gab praktische Einblicke, wie die EMA Patientinnen und Patienten einbezieht. Sie stellte die Arbeit der EMA, die Geschichte der Patientenbeteiligung und die Bereiche in denen Patientinnen und Patienten und ihre Organisationen einbezogen werden, dar. 

Sie erörterte, wer sich engagiert, wie geeignete Vertreterinnen und Vertreter identifiziert werden, welche Erwartungen und Anforderungen an diese bestehen und welche Auswirkungen und welchen Impact und Mehrwert Patientenbeteiligung an der EMA hat. 

Im Anschluss an den Vortrag fand ein gemeinsamer Austausch statt. 

Im Zentrum der Diskussion standen die Kriterien für die Auswahl von Patientenvertretungen und anderen Fachexpertinnen/-experten, die Transparenz bei der Finanzierung sowie der Umgang mit Interessenkonflikten. Es wurde betont, dass eine Beteiligung trotz Industrieunterstützung möglich ist, jedoch klare Regeln und Offenlegungspflichten gelten. Einzelne Punkte wie die Verfügbarkeit für Meetings, die Fähigkeit zur Mitarbeit in englischer Sprache sowie die Vertretung einer bestimmten Erkrankung wurden als Voraussetzungen für Beteiligung genannt. Die Frage nach der Vergütung von Patienten- und Berufsgruppenvertretungen führte zu intensiven Debatten: Einerseits gilt sie als notwendige Anerkennung von Zeit und Expertise, andererseits wurde die Gefahr von Abhängigkeiten und Einflussnahme durch den Vergütenden – in dem Fall die EMA - kritisch hinterfragt. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der praktischen Umsetzung von Patientenbeteiligung. Diskutiert wurden die geringe Zahl von Patientenvertretungen in Ausschüssen, die Schwierigkeit, die gesamte europäische Vielfalt abzubilden, sowie alternative Methoden zur Einholung von Stimmen von Patientinnen/Patienten und Fachkräften/Berufsgruppenvertretungen wie z. B. Umfragen oder die Zusammenarbeit mit Netzwerken. Auch die Einbindung von Personen mit seltenen Erkrankungen, die internationale Kooperation mit anderen Behörden oder Netzwerken (z.B. Europäische Referenznetzwerke, ERN) und die Frage der Barrierefreiheit spielten eine Rolle. Schließlich wurde die Bedeutung kritischer Stimmen hervorgehoben: Patientinnen/Patienten sollen ihre Perspektiven frei äußern können, auch wenn diese unbequem sind. Es wurde betont, dass die EMA und andere Einrichtungen Strukturen schaffen müssen, um diese Beiträge gleichberechtigt zu berücksichtigen.

Am Ende des Colloquiums wurden Teilnehmende um Rückmeldung zu ausgewählten Fragestellungen ersucht. Auf die Frage „Wer kann und soll Selbsthilfe- und Patienteninteressen vertreten?“ wurden mehrheitlich Patientinnen/Patienten und (pflegende) Angehörige z.B. Eltern genannt. Nach Kriterien für beteiligte Personen gefragt, kamen u.a.: eigene Erfahrungen/Betroffenheit, Repräsentativität, Legitimation, Neutralität, Bereitschaft über die eigene Meinung/Erkrankung hinaus zu vertreten, Kontinuität der Vertretung, Ausbildung, Basisfinanzierung. Als Kriterien für beteiligende Organisationen wurden eingebracht u.a.: Kontinuität, gesetzliche Verankerung, Beteiligung im gesamten Entwicklungsprozess, Patientenvertretungen dort abzuholen wo sie sind, Transparenz, Finanzierung für Beteiligung, Barrierefreiheit, ernst nehmen, Wille zu ehrlicher Beteiligung und der Wunsch nach Unterstützung. Die Veranstaltung schloss mit Ideen für nächste mögliche Schritte um mehr/wirksame Beteiligung in Österreich u. a.: gegenseitige Zusammenarbeit, Wertschätzung und Austausch auf Augenhöhe, finanzielle Absicherung und gesetzliche Verankerung für Beteiligung, Austausch von Patientenvertretungen fördern und einfach tun!

Der Input wurde in englischer Sprache gehalten, die Folien wurden bzw. werden auch in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt (beim Colloquium im Chat bzw. hier als Nachlese).

Bild
Foto Maria Mavris
Foto: Maria Mavris, ©  privat

Vortragende
Maria Mavris, PhD ist Patient Liaison bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA.  Sie kam im Jahr 2014 als abgeordnete Expertin einer Patientenorganisation zur EMA und ist dort seit 2017 als Mitarbeiterin tätig. Als Teil der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit und Einbindung von Interessengruppen der EMA umfasst ihre Arbeit die Einbindung von Patientinnen und Patienten, Pflegekräften und Verbraucherinnen und Verbrauchern während des gesamten Lebenszyklus von Medikamenten [von der Forschung und Entwicklung über die Zulassung, Produktion und Vermarktung bis hin zur Anwendung, Überwachung und Weiterentwicklung]. Außerdem organisiert sie Unterstützung von Beteiligung an EMA-Aktivitäten z. B. für Mitglieder der wissenschaftlichen Ausschüsse der EMA (Vertretungen von Organisationen oder Personen mit Erfahrung im Umgang mit einer Krankheit und deren Behandlung).
 

Begrüßung
Gudrun Braunegger-Kallinger 
Gesundheit Österreich GmbH
Leitung der Österreichischen Kompetenz- und Servicestelle für Selbsthilfe (ÖKUSS)

Moderation
Joy Ladurner
Gesundheit Österreich GmbH
Österreichische Kompetenz- und Servicestelle für Selbsthilfe (ÖKUSS) 

Weiterlesen: 

Engagement Framework: EMA und patients, consumers and their organisations 
Criteria to be fulfilled by patient, consumer and healthcare professional organisations involved in EMA activities 
The role of members representing patients‘ and healthcare professionals‘ organisations on EMA scientific committees: Role of patients and HCP as members of the EMA Committees 
Handling competing interests

Einladung sich bei EMA zu beteiligen: Individual Signup
 Praxisbox Selbsthilfebeteiligung