Social Prescribing: Pilotprojekt zeigt klare Erfolge in Österreich

Im Wartezimmer sitzen Menschen mit Rückenschmerzen, Herzrasen oder Schlafproblemen nebeneinander. Doch hinter vielen Beschwerden stecken eigentlich andere Probleme: Einsamkeit, Stress oder Geldsorgen. Studien zeigen, dass etwa jede fünfte Konsultation vor allem solche sozialen Belastungen betrifft – trotzdem kommt der Besuch in der Arztpraxis. Das überlastet Ärzt:innen und hilft den Patient:innen selten wirklich.
Hier setzt Social Prescribing an: Ärzt:innen vermitteln Patient:innen an speziell geschulte Fachkräfte, die helfen, die eigentlichen Belastungen zu erkennen und passende soziale Angebote zu finden - von der Schuldnerberatung über Beratung bis zu Nachbarschaftshilfe.
Seit 2021 wird dieser Ansatz in österreichischen Pilotprojekten erprobt. Eine aktuelle Auswertung der Gesundheit Österreich GmbH zeigt hohe Erfolgsquoten, und ein neuer Fördercall des BMASGPK für 2026–2028 soll weitere Projekte ermöglichen. Daniela Rojatz ist zuständig für Social Prescribing in Österreich und Projektleiterin in der Gesundheit Österreich.
93 Prozent würden Social Prescribing weiterempfehlen

„93 Prozent würden Social Prescribing weiterempfehlen. Das zeigt, dass wir Menschen erreichen, die wir sonst nur sehr schwer erreichen könnten“, sagt Gesundheitsministerin Korinna Schumann. „Wir verbinden Betroffene gezielt mit Angeboten außerhalb der klassischen Medizin - und das entlastet gleichzeitig die Ärzt:innen“, bekräftigt sie.
Konkret zeugt die aktuelle Studie: 93 Prozent der teilnehmenden Patient:innen würden Social Prescribing weiterempfehlen. Von über 1.200 Personen konnten 85 Prozent an passende Angebote weitervermittelt werden - von psychosozialen Beratungen über Sozialhilfe bis zu Freizeitaktivitäten. Die Auswertung zeigt, dass Social Prescribing ein evidenzbasierter, wirksamer Ansatz ist, der die Lebensqualität stärkt, die Selbstwirksamkeit der Patient:innen fördert und gleichzeitig das System entlastet. Die Ergebnisse der Pilotprojekte bestätigen, dass der Ansatz tragfähig, skalierbar und flexibel anpassbar ist.
Wenn mehr dahintersteckt.
An den Projekten des Fördercalls 2023–2025 wirkten 15 Einrichtungen aus sechs Bundesländern mit, darunter Primärversorgungseinheiten, pädiatrische Praxen sowie eine Einrichtung für nichtversicherte Personen. Die Fördermittel betrugen bis zu 60.000 Euro pro Einrichtung. Die Daten zeigen, dass insbesondere Menschen mit schwieriger finanzieller Lage, instabiler Lebenssituation oder eingeschränkten sozialen Kontakten profitieren. Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden war nicht erwerbstätig, oft aufgrund von Pension oder gesundheitlichen Einschränkungen.
Daniela Rojatz von der Gesundheit Österreich erklärt: „Wenn Patient:innen mehrfach wegen Kopfweh oder anderen Beschwerden zum Arzt kommen und alles medizinisch abgeklärt ist, ohne dass eine Diagnose gefunden wird, steckt oft etwas anderes dahinter. Social Prescribing ermöglicht dann gezielt Beratung und unterstützt dabei, die tatsächlichen Hintergründe zu erkennen.“
Das bestätigt auch Daniela Rojatz, Projektleiterin von der Gesundheit Österreich und zuständig für Social Prescribing in Österreich: "Wenn man dreimal die Woche wegen Kopfweh zum Arzt kommt und dieser alles medizinisch abgeklärt hat und es keine Diagnose gibt, dann steckt womöglich was anderes dahinter. Und dann gibt es Social Prescribing, wo man dann Beratung ermöglichen kann, wo dann herausgearbeitet wird, was ist denn wirklich der Hintergrund?
Social Prescribing im Alltag
Neben den Zahlen und Erfolgen aus den Pilotprojekten zeigen Praxisbeispiele, wie Social Prescribing konkret wirkt: Patient:innen können auf ärztliche Empfehlung hin an Angebote vermittelt werden, die ihre sozialen Ressourcen stärken und neue Teilhabe ermöglichen – von Kochkursen über Museumsbesuche bis zu Musik- oder Bewegungsgruppen. Die Teilnahme ist in der Regel kostenlos, viele Angebote werden ehrenamtlich bereitgestellt und orientieren sich an den Möglichkeiten der Betroffenen.
Erste Erfahrungen zeigen, dass Social Prescribing nicht nur Patient:innen unterstützt, sondern auch Ärzt:innen entlastet. Sie wissen ihre Patient:innen gut begleitet und gewinnen mehr Zeit für andere medizinische Anliegen. Gleichzeitig verbessert sich das soziale Netzwerk der Patient:innen, ihre psychosoziale Gesundheit und ihre Lebensqualität.
Das Modell stammt ursprünglich aus England, wo medizinische Einrichtungen mit Community Hubs vernetzt wurden, um medizinische und soziale Versorgung zu verbinden. Mit dem neuen Fördercall ab 2026 sollen über 30 weitere Einrichtungen teilnehmen, sodass noch mehr Menschen von diesem Ansatz profitieren können.
Zentrale Rolle der Vermittlung
Die Vermittlung erfolgt überwiegend an psychosoziale Beratungsstellen: In der Primärversorgung betraf das 51,5 Prozent der Fälle, in der Pädiatrie sogar 66,7 Prozent. Sozial- und Rechtsberatung folgten mit jeweils rund einem Viertel. Bewegungsangebote, soziale Gruppenaktivitäten und berufliche Beratung spielten ebenfalls eine wichtige Rolle.
Fachkräfte mit sogenannter Link-Working-Funktion bilden das Kernstück des Modells. Sie erfassen Bedürfnisse, entwickeln gemeinsam mit Patientinnen und Patienten konkrete Schritte und begleiten den Übergang zu passenden Angeboten. Damit soll eine längerfristige Stabilisierung ermöglicht werden. Für die kommenden Jahre plant das Gesundheitsministerium eine Ausweitung. Ein neuer Fördercall für 2026 bis 2028 ist bereits ausgeschrieben.
Informationen zu Social Prescribing
Mehr Informationen zu Social Prescribing
Social Prescribing verknüpft Patient:innen mit gesundheitsrelevanten psychosozialen Angeboten in ihrer Region und stärkt Gesundheit, Wohlbefinden und soziale Teilhabe, ergänzend zur medizinischen Versorgung.
Inhalte:
- Social-Prescribing-Landkarte: Überblick über Einrichtungen, die Social Prescribing in Österreich umsetzen.
- Plattform Primärversorgung: Weitere Videos und Webinare zu Social Prescribing (kostenlose Registrierung erforderlich).
goeg.at - EU-Projekt „Social Prescribing to promote and improve access to health and care services for people in vulnerable situations in Europe“ (2025–2029): Informationen zur europäischen Kooperation und Weiterentwicklung von Social Prescribing.
goeg.at - Projektseite „Etablierung von Social Prescribing“: Hintergrund zum österreichischen Projekt und zum Fördercall Social Prescribing.
goeg.at
Zuständig für Social Prescribing in Österreich:
Mag.a Dr.in Daniela Rojatz,
Senior Health Expert,
Bereich „Gesundheit, Gesellschaft und Chancengerechtigkeit“,
Email
Nachschau:
- ORF ON / 04.12.2025, ZIB 7.00 / Daniela Rojatz (GÖG) im Interview zum Thema Social Prescribing
- ORF ON / 05.12.2025, Guten Morgen Österreich / Daniela Rojatz (GÖG) im Interview zum Thema Social Prescribing
Quellen: 1 Polley, Marie; Fleming, James; Anfilogoff, Tim; Carpenter, Andrew (2017): Making sense of Social Prescribing. University of Westminster, London


