Drogenbericht 2024: Trends und Risiken in Österreich
Der veröffentlichten Berichte „Epidemiologiebericht Sucht 2024“ und „Bericht zur Drogensituation 2024“ bieten einen umfassenden Überblick über den Konsum von Tabak, Alkohol und illegalen Drogen in Österreich.
Martin Busch, Leiter des Kompetenzzentrums Sucht an der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), fasst die Ergebnisse im Zuge eines Pressegesprächs zusammen: „Die Drogensituation in Österreich zeigt sich insgesamt weitgehend stabil, das heißt aber auch, dass wir ein Hochkonsumland für Alkohol und Nikotin bleiben. Im Bereich der illegalen Drogen stellen wir zwar ebenfalls kaum Veränderungen im Konsumverhalten fest, allerdings müssen wir das dritte Jahr in Folge eine Zunahme tödlicher Überdosierungen mit illegalen Substanzen feststellen“, so der Suchtexperte.
Neue Life-Style-Produkte: Nikotinabhängigkeit nimmt nach Jahren des Rückgangs wieder zu
Rauchen ist die am weitesten verbreitete Sucht in Österreich. Etwa jede fünfte Person (21%) gibt an, täglich zu rauchen. Im langfristigen Vergleich sank die Rauchquote, bei Männern mindestens seit 30 Jahren, bei Frauen ab 2010. In den letzten Jahren gab es jedoch keinen signifikanten Rückgang mehr.
Anders bei den Jugendlichen, bei denen zwar weiterhin eine starke Abnahme beim täglichen Zigarettenkonsum zu verzeichnen ist, allerdings steigt der Konsum im Bereich der neuen Nikotinprodukte an (in erster Linie Nikotinbeutel, aber auch E-Zigaretten). Vier Prozent der 15-Jährigen rauchen täglich Zigaretten, während bereits drei Prozent täglich Nikotinbeutel konsumieren (Buben: 5,1%, Mädchen: 1,2%, Daten aus 2022). Berücksichtigt man auch E-Zigaretten und weiteren Nikotinprodukte, konsumieren acht Prozent täglich.
Martin Busch gibt Einblick in das aktuelle Forschungsgeschehen: „Neue, noch nicht veröffentlichte Zahlen weisen darauf hin, dass sich der Konsum von neuen Nikotinprodukten bei Jugendlichen gerade in den letzten beiden Jahren noch einmal rasant gesteigert haben könnte“, so der Studienautor. „Insbesondere Nikotinbeutel werden nach wie vor als Lifestyleprodukt vermarktet. Ihre Popularität überkompensiert somit den Rückgang beim Zigarettenkonsum, wodurch es insgesamt nach Jahren des Rückgangs wieder mehr Menschen mit Nikotinabhängigkeit geben könnte.“
Das vor dem Hintergrund, dass Nikotin schnell abhängig macht, auch die zugesetzten Geschmacksstoffe im Verdacht stehen zum Teil krebserregend zu sein und es keine Erfahrungen dazu gibt, wie sich die Einnahme von (oftmals hochdosiertem) Nikotin langfristig gesundheitlich auswirkt.
Alkohol: Konsum geht langfristig zurück - geändertes Konsumverhalten der Jugendlichen
Alkohol ist jene psychoaktive Substanz, mit der die meisten Menschen Erfahrungen machen. Etwa jede siebte Person in Österreich, etwa 15% der Bevölkerung, konsumiert Alkohol in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum von Alkohol geht in Österreich bereits seit den 1970er-Jahren zurück, allerdings langsamer als in vielen anderen Ländern, wodurch Österreichs im Ländervergleich ein absolutes Hochkonsumland bleibt.
Männer trinken fast doppelt so häufig in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß wie Frauen (Männer: 19%, Frauen: 11%), der problematische Konsum nimmt außerdem mit dem Alter zu, wobei der größte Anteil in der Altersgruppe zwischen 40 und 70 Jahren liegt. Männer sterben schließlich 3- bis 4-mal häufiger an alkoholbedingten Ursachen als Frauen.
„Der Rückgang des problematischen Alkoholkonsums liegt vor allem an einem geänderten Konsumverhalten der Jugendlichen, insbesondere von jungen Männern, die über die Jahre deutlich weniger Alkohol konsumieren“, so Busch. Trotzdem ist Alkohol auch bei Jugendlichen weit verbreitet. Aktuelle Daten zum Konsumverhalten werden derzeit im Rahmen einer großangelegten Schülerbefragung erhoben, deren Ergebnisse im Frühjahr 2025 veröffentlicht werden.
Drogenkonsum in Österreich: Trends bei Cannabis, Kokain und Opioiden
Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Substanz in Österreich, wobei der Konsum meist auf kurze Zeiträume beschränkt ist. Etwa ein Fünftel der Österreicher:innen (15 bis 64 Jahre) hat im Laufe des Lebens schon einmal Cannabis probiert, in den letzten 30 Tagen geben dies nur wenige Prozent der Befragten an (2015: 3%, 2020: 4%). Daten aus dem Drug-Checking und Sicherstellungen zeigen, dass Cannabis teilweise mit synthetischen Cannabinoiden versetzt wird, was große Gefahren birgt.
Der Kokainkonsum in Österreich nimmt zu, wobei der Preis sinkt und die Reinheit steigt. Etwa 90.000 Österreicher:innen haben 2022 zumindest einmal gekokst. Im Behandlungsbereich steigt der Anteil der Personen mit Kokain als Hauptdroge leicht an.
Der risikoreiche Drogenkonsum wird aber hauptsächlich vom Opioidkonsum (z.B. Heroin) dominiert, oft in Kombination mit anderen Substanzen. Die meisten drogenspezifischen Behandlungen betreffen Menschen mit Opioidproblemen, vorwiegend Männer über 25 Jahre in Ballungszentren. Schätzungen zufolge weisen 35.000 bis 40.000 Menschen in Österreich einen risikoreichen Opioidkonsum auf. Die meisten verfügbaren Daten aus dem Drogenmonitoring (einschließlich Opioidsubstitutionsbehandlungen, Daten aus Drogenhilfeeinrichtungen, gesundheitsbezogene Maßnahmen, Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz und Spitalsentlassungen) deuten auf eine relativ stabile Drogensituation hin. Diese Stabilität zeigt sich besonders im Anteil der Personen unter 25 Jahren, der seit Jahren stagniert.
Anstieg drogenbedingter Todesfälle
Eine Datenquelle spiegelt diesen Trend jedoch nicht wider: Im Jahr 2023 waren insgesamt 256 drogenbezogene Todesfälle, also tödliche Überdosierungen zu verzeichnen, damit setzt sich der Anstieg gegenüber den Vorjahren weiter fort (2023: 248, 2021: 235, 2020: 191). Tödliche Überdosierungen betreffen überwiegend Männer (72 %), wobei das Durchschnittsalter der Verstorbenen bei 34 Jahren liegt. Nach einem Höchststand Mitte der 2000er Jahre sank der Anteil jungen Menschen (< 25 Jahre) bei den drogenbezogenen Todesfällen stark. Ab 2019 stieg der Anteil der jüngeren Verstorbenen bis 2021 wieder an und stagniert seither bei etwa 25 Prozent (von 18% im Jahr 2018, 26,6& im Jahr 2022 auf 24,6% im Jahr 2023).
Busch betont: „Die aktuelle Datenlage lässt keine eindeutige Interpretation der Ursachen zu. Ein Teil des Anstiegs der drogenbedingten Todesfälle könnte auf alternde Konsumentinnen und Konsumenten mit langer Suchthistorie zurückzuführen sein. Diese Personen sind zwar gut in das Drogenhilfesystem integriert, werden jedoch mit zunehmendem Alter multimorbid, was ihre Toleranzgrenze senkt und letztlich ihr Sterberisiko erhöht.“ Als weitere Erklärungen würden sich laut dem Wissenschaftler verschiedene Hypothesen bzw. eine Kombination dieser anbieten.
So könnte es sich um Nachwirkungen der Coronapandemie handeln, die zu Einsamkeit und eingeschränkter Verfügbarkeit von Unterstützungsangeboten geführt hat. Eine andere Erklärung könnte die gestiegene Reinheit der Substanzen sein, die das Risiko für Überdosierungen erhöht. Dabei ist zu beachten, dass sich die Substanzgruppen und -kombinationen im Wesentlichen nicht verändert haben: „Todesfälle, bei denen Opioide festgestellt wurden, dominieren weiterhin. Neue psychoaktive Substanzen und stark potente Schmerzmittel wie Fentanyl bleiben weiterhin Einzelfälle“, erklärt Busch.
Junge Menschen stärker von Drogenproblemen betroffen?
Abschließend warnt der Suchtexperte schließlich auch vor der Möglichkeit, dass sich die Drogensituation bei jüngeren Menschen verschärft haben könnte: „Womöglich gibt es wieder mehr Jugendliche und junge Erwachsene, die vom risikoreichen Opioidkonsum beziehungsweise besonders riskantem Konsum betroffen sind. Diese Entwicklungen spiegeln sich bisher noch nicht in den drogenspezifischen Behandlungszahlen wider. Es gibt aber Berichte über hochriskante und chaotische Konsummuster bei Jugendlichen, insbesondere bei jungen Mädchen, aus mehreren Bundesländern, z. B. aus dem Bereich der Jugendpsychiatrie. Zudem wird von einer Zunahme der Rettungseinsätze aufgrund von Drogenintoxikationen berichtet.“
Fazit und Ausblick
Insgesamt zeigt sich bei der aktuellen Entwicklung der Suchtsituation in Bezug auf illegale Drogen, Tabak und Alkohol, abgesehen von den drogenbedingten Todesfällen, ein relativ stabiles Bild. Dennoch gibt es weiterhin Verbesserungspotenzial und neue Herausforderungen. Dazu zählen insbesondere der deutliche Anstieg des Konsums neuer Nikotinprodukte, vor allem bei Jugendlichen, die alternde Generation suchtkranker Menschen und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verhinderung von Überdosierungen.
Hilfsangebote
Wenn Sie Fragen haben oder ein Beratungsangebot in Anspruch nehmen möchten, dann finden Sie bei den folgenden Anlaufstellen Hilfe:
Suchthilfekompass rauchfrei.at
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