GÖG-Colloquium | Stigma – „Folgeerkrankung“ mit viel menschlichem Leid und hohen volkswirtschaftlichen Kosten
Menschen mit psychischen Erkrankungen (sowie ihre Angehörigen und alle mit diesem Themenfeld befassten Berufsgruppen) sind aufgrund kulturell tiefverwurzelter Stereotype und negativer Vorurteile einer ganzen Reihe von Diskriminierungen ausgesetzt. Die Folgen für Betroffene sind oft geringere Chancen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, Verlust intimer Beziehungen, Reduktion des sozialen Netzwerks und Schwächung des Selbstwertgefühls. Diese Benachteiligungen und Belastungen erhöhen das Risiko für Rückfälle oder für einen chronischen Krankheitsverlauf. Expertinnen und Experten sprechen daher von Stigma als „zweiter Erkrankung“. Die Angst vor Stigmatisierung verzögert zudem das Aufsuchen von Hilfe in psychischen Krisen, was letztlich auf gesellschaftlicher Ebene zu einer Steigerung der Gesundheitskosten führt.
In diesem GÖG-Colloquium kamen zwei renommierte österreichische Stigma-Expertinnen und ein ebensolcher Experte zu Wort, die das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten und sowohl anschauliche Beispiele aus ihren persönlichen Erfahrungen einbrachten als auch Ansatzpunkte und Chancen für die Bekämpfung von Stigma thematisierten.
Durch die trialogische Darstellung des Themas und das Zusammenspiel während des Vortrags bzw. in der anschließenden Diskussion konnten die drei Vortragenden außerdem lebendig vermitteln, was „Trialog“ und die damit verbundene „Begegnung auf Augenhöhe“ zwischen Angehörigen, Betroffenen und Professionistinnen/Professionisten in der Praxis bedeutet.
Vortrag Ladinser: Stigma und psychische Erkrankungen Angehörige als Mitbetroffene
Vortrag Amering: Stigma und Diskriminierung --> Stigmaresistenz und Anti-Diskriminierung
Das trialogische Vortragsteam:
Edwin Ladinser, Angehöriger von und Projektleiter bei HPE Österreich – Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter. Das Thema „Inklusion vs. Stigmatisierung“ ist seit vielen Jahren Teil seiner Arbeit.
Michaela Steurer, seit 1994 in der Psychiatrie-Erfahrenen-Bewegung aktiv, Gründungsmitglied und bis 2006 Mitarbeiterin des Dachverbands der Selbsthilfegruppen HSSG in Niederösterreich, derzeit für den Verein Freiräume tätig. Die Arbeit mit seelischer Gesundheit sowie Stigmabekämpfung sind ihr besondere persönliche Anliegen.
Michaela Ameringist Professorin und Oberärztin an der Abteilung für Sozialpsychiatrie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Universität Wien mit besonderem Interesse an den psychosozialen Aspekten der Situation von Menschen mit der Diagnose Schizophrenie und deren Familien und Freunden. Sie hat klinische und Forschungserfahrung gesammelt – auch in Großbritannien, den USA und Kanada –, verfolgt seit vielen Jahren die internationale Entwicklung der Betroffenenbewegung und beschäftigt sich mit den ihrer Ansicht nach großen Chancen, die durch eine starke Betroffenenbewegung und eine trialogische Gestaltung der Psychiatrie entstehen.