Der Prozess von den Daten über die Entscheidung bis zum Verhalten – Rückblick auf die EHFG-Session 2021 zum Thema „Datademic“

Beginn der Veranstaltung
30.09.2021 11:00 Uhr
Ende der Veranstaltung
30.09.2021 12:30 Uhr
Veranstaltungsort
Online im Rahmen des European Health Forum Gastein 2021

Am 30. September 2021 organisierten das österreichische und das belgische Public Health Institut, Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) und Sciensano, im Rahmen des EU-Projekts PHIRI (Population Health Information Research Infrastructure) beim European Health Forum Gastein eine Session mit dem Titel „Datademic, Data-decision-behaviour: A consolidated approach?“. Das Thema wurde gewählt, um den Prozess von Daten über Entscheidungen bis hin zum Verhalten zu verdeutlichen.

Die Diskussion über die komplexe Beziehung zwischen Gesundheitsdaten/-informationen, Politik und Verhalten und darüber, wie bessere Daten letztlich zu besseren Entscheidungen führen können, wurde von Josep Figueras, dem Direktor des European Observatory on Health Systems and Policies, moderiert und von Claudia Habl, der Leiterin der Abteilung Internationales und Beratung an der GÖG, geleitet. Josep Figueras wies darauf hin, dass während der COVID-19-Pandemie die aufeinander abgestimmten Prozesse von Daten, Entscheidungen und Verhalten gestrafft worden seien und „Evidenz und Politik eins“ geworden seien. Während Evidenz Zeit brauche, um sich zu verfestigen, müssten in einem unsicheren Umfeld wie jenem während dieser Pandemie Entscheidungen möglicherweise schneller getroffen werden, als Evidenz verfügbar sei.

David Novillo Ortiz, Regionalberater für Daten, Metriken und Analytik beim WHO-Regionalbüro für Europa, ging in seinem Vortrag auf die Komplexität von Daten in Entscheidungsprozessen ein. Er wies darauf hin, dass „es nicht darum geht, viele Daten zu haben, sondern darum, Daten von guter Qualität zu haben, die in robusten Gesundheitsdatensystemen gewonnen werden“. Und anstatt – wie es der Trend sei – „nichtrobuste Datensysteme“ zu digitalisieren, solle der Fokus eher darauf gerichtet sein, diese Systeme zuerst zu adaptieren.

Vier Redner/-innen stellten in kurzen Beiträgen ihre Ansichten zum Thema „Datademic“ dar und vertraten dabei jeweils die Hauptakteure des Prozesses.

  • Christina Pagel, Professorin für operationelle Forschung am University College London, erläuterte die Rolle der Forscherin / des Forschers in Zeiten der Ungewissheit und divergierender Expertenmeinungen. Sie sieht das Problem nicht so sehr in der Uneinigkeit bei Ungewissheit, sondern vielmehr darin, dass sich manche Positionen verfestigen und nicht ändern würden, wenn mehr Gewissheit aufkomme.
  • Aus Sicht der Entscheidungsträger/-innen betonte Daniels Pavluts, Gesundheitsminister der Republik Lettland, wie wichtig es sei, Expertinnen und Experten zu schützen und zu fördern, die das Vertrauen der Bevölkerung genießen. Politische Entscheidungen sollten dem Rat von Expertinnen/Experten folgen. Um das Vertrauen in Entscheidungsprozesse wiederherzustellen, was durch vollständige Transparenz und die Anerkennung von Fehlern sowie durch Lerneffekte erreicht werden kann, ist es entscheidend, wirklich mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten.
  • Aus der Kommunikationsperspektive zeigte Melanie Carr, Leiterin der Abteilung Stakeholder & Kommunikation bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur, dass Beweise Zeit brauchen und sich Geschichten ändern. Der Kontakt mit den Menschen ist für sie daher am wichtigsten. Aus diesem Grund hört sich die EMA die Anliegen der Menschen in speziellen Treffen an und lässt Nutzer/-innen die veröffentlichten Informationen testen.
  • Was die Verhaltensperspektive betrifft, so gab Marijn de Bruin, leitender Wissenschaftler der Corona Behavioural Unit des niederländischen Nationalen Instituts für öffentliche Gesundheit (RIVM), Einblicke in die Bedeutung der Verhaltensforschung, um zu verstehen, wie der Prozess von Daten bis hin zum Verhalten funktioniert. Er hob die entscheidende Rolle der Beobachtung des Verhaltens und seiner Determinanten hervor. Dennoch sei es, erklärte er, noch ein weiter Weg bis zur Integration von Verhaltensaspekten in die Forschung.

Am Ende der Session entwickelte sich eine Diskussion darüber, wie das Vertrauen in Daten und Entscheidungen wiederhergestellt werden kann. Herwig Ostermann, Geschäftsführer der GÖG, betonte die Notwendigkeit einer gegenseitigen Akzeptanz der unterschiedlichen Rollen von Expertinnen/Experten und Politikerinnen/Politikern. Wissenschaftliche Beratung solle von politischen Entscheidungsträgerinnen/-trägern nicht als Entscheidungsfindung missverstanden werden, und Forscher müssten respektieren, dass politische Kompromisse manchmal notwendig seien. Er ist überzeugt, dass durch Transparenz bei der gemeinsamen Nutzung von Daten, bei Unsicherheiten und unseren eigenen Fehleinschätzungen und Fehlern sowie durch eine wieder stärkere Europäisierung mehr Vertrauen in die getroffenen Entscheidungen erreicht werden könne, was letztendlich zu Verhaltensänderungen in der Bevölkerung führe und die Solidarität wiederherstelle.

Die Session „Datademic, Data-decision-behaviour: A consolidated approach?“ ist auf YouTube verfügbar.